31.12.05

zum Jahreswechsel

Zum Jahreswechsel meldet sich der Zugvogel mal wieder, der gerade in den heimatlichen Sueden geflogen ist. Fast haette es diesmal geklappt mit der weissen Weihnacht. Liebe wilde Orchidee, ich hoffe du triffst bei deiner Rueckkehr auf strahlende-glitzernde Schneedecken statt trueber Nebelschwaden. Man hoerte ja in den vergangenen Tagen wilde Wettermeldungen aus dem Nordosten. Wollen wir mal nicht hoffen, dass das friedliche Unistaedtchen nun ganz in einen Dornroeschen- bzw. Schneeweisschenschlaf faellt. Greifswald hat nun auch im schwaebisch-fraenkischen Unterland seine Spuren hinterlassen. Der hanseatische Marktplatz in Aquarell von CDF ziert seit einer Woche das Treppenhaus in meinem Elternhaus – auf dass im naechsten Jahr weiterhin zusammenwaechst was zusammengehoert. An dieser Stelle allen einen hoffnungsvollen Start in ein angenehmes und abwechslungsreiches 2006!

Wuensche fuer Greifswald zum Jahreswechsel

digitale Anzeigetafeln und einen Aufzug am Bahnhof
mehr Sicherheit fuer Fahrraeder
dass die Literaturszene erhalten bleibt
dass sich die philosophische Fakultaet zusammenrauft
dass Pipeline und Autobahn den Puls der Zeit bringen aber nicht den gemütlichen Geist ueberrollen

und
einen Crepes-Stand in der Fussgaengerzone

23.12.05

Weltuntergang

Der Weltuntergang hat schon stattgefunden, so scheint‘s, Greifswald am 23. Dezember. Regennasse Straßen, die glänzen im Licht der orangegelben Laternen, zu zweit noch. Gähnende Leere. Nur dunkle Fenster fast. Wenige sind hell. Ein paar Leute leben also noch. Dennoch: I feel so lonely tonight .... senza te .... senza te .... Zucchero ... so was hört man an solchen trüben Abenden, so weit kommt man, bleibt träge sitzen, anstatt irgendwo zu klopfen und zu sagen: hey lasst uns gemeinsam trinken und traurig sein.
Zeit hier weg zu gehen (obwohl man nie mehr weg will: Trägheit? Melancholie?) und zu sehen, ob es die Welt vielleicht doch noch gibt.

22.12.05

Weihnachts-Amuese-Blog-Gueule

Wer sich mal ein bisschen weihnachtsblogamüsieren will, der surfe noch dieses Jahr zu Kosta de Alhabeite

100 Jahre später

Und wie schön im übrigen, in Pommern zu wohnen. Wenn einmal der Weltuntergang da ist, so liest und hört man, dann dauert es noch 100 Jahre, bis er auch hierher kommt. Ist doch was, worauf man sich freuen kann.

Weitblick

Ah, die Sicht vom Dom! Freier Blick bis zum blitzblauen Bodden, die Häuser unten wie Spielzug unter dem Weihnachtsbaum, da oben kann man Freiheit atmen! Der Wind bläst um die Nase, die Sonne blendet den ohnehin schon von soviel Schönheit geblendeten Blick, das Herz wird weit. Das Philologische Seminar ist auf die ihm zustehende Größe geschrumpft, das alte Unigebäude liegt friedlich und zeitlos da, rot und still, alles da unten verliert seine Wichtigkeit, außer dem Haus, in dem ich wohne und dem Nachbarhaus, das viel älter und abgeblätterter und schöner ist als das unsre zu glattem Grau renovierte, prächtig sieht’s aus von hier oben, wie eins mit der alten Schule, die kleine Welt um den Dom herum wird weit jetzt, die Häuser des Marktplatzes, St. Nikolai, die Marienkirche nur Wegmarken in die Weite oder zum Bodden, ach, hier oben leuchtet alles, ist so unsagbar schön, da fliegen die Wünsche von überallher, das Unmögliche, das Leichte, das Bodenlose, das Himmelnahe und man träumt augenblicklich: ein Wunder möge geschehn!

21.12.05

Rettungsinseln

Fröhlich bereiten sich alle auf Weihnachten vor, auf die Familie, die Enkel, den Tannenbaum, die Freizeit: endlich. Und jetzt, wo Weihnachten bald da ist, ist der Weihnachtsmarkt verschwunden, der Marktplatz liegt still wie immer am Abend und in der Nacht, nur besonders weit kann man nicht sehen heute. Nebel verhüllt Häuser und Bäume und die Laternen leuchten wie Rettungsinseln, zu denen man schwimmen möchte durch die nasse Nacht oder viel lieber noch zu den Rettungsoasen, die sich hinter leuchtenden Fenstern offenbaren.
Friedlich und still macht sich die Stadt zur Nacht bereit – und wir mit ihr. Die längste Nacht des Jahres wird es werden – und die einsamste vielleicht für all diejenigen, die niemanden haben, der mit ihnen das Bett teilt oder die Couch oder die Teetasse oder was auch immer.

Vorweihnachtsstille in Greifswald

20.12.05

WeihnachtsTresenLesen

WeihnachtsTresenLesen im Café Koeppen. „Thema verfehlt, setzen“. Schulaufsätze, erste Gedichte, Geschichten, gelesen von den hiesigen Schauspielern, von denen manche doch einiges an Talent aufweisen auch im Schreiben. Und im Lesen natürlich, unnachahmlich, wenn einer von ihnen über kindliche Gewitter spricht. Und zwischendrin Weihnachtslieder mit herrlich schräg spielenden Blockflöten und Gitarre. Selten so herzlich an Weihnachten, jedenfalls kurz vor Weihnachten, gelacht, die Stimmung war herrlich geradezu wunderbar, geradezu ausgelassen, geradezu entspannt und herzlich, geradezu ein Gefühlsüberschwung war da so etwas fast schon Extrovertiertes, da können nicht viele Pommern dagewesen sein. Und endlich mit den Nachbarn gesprochen, denen mit den erleuchteten und manchmal dunklen Fenstern.
2.25 Uhr, etwas glatt auf den Straßen, relativ mild.

18.12.05

Pommernmond

Der Mond steht voll und klar am Nachthimmel, weiß leuchtet der Schnee und orangegelb die Laternen (eine von den Paaren jeweils wie gesagt, kurz vor Mitternacht jetzt). Der Schnee knirscht unter den Füßen, behutsames Gehen ist an der Nachtordnung, schön spaziert es sich und romantisch in der Altstadt, Greifswald at it’s best. Wenn man in Pommern nur nicht so verdammt einsam wäre! Und das bei Vollmond.
Im übrigen, Minus 3 Grad jetzt, schlaf weiter Anna.

Tanz

Hagelkörner hüpfen
auf den Dächern - die
Schneeflocken wirbeln


und nachdem sie genügend herumgetanzt haben, ist das wilde Spiel auch schon wieder aus. Die Straßen sind weiß und der Himmel ist zum Hafen hin blau, während vom Land her schon die nächsten Schneewolken im Anmarsch sind. Das Walmdach (oder wie das eben heißt, so einvgebogenes) von gegenüber ist nur halbweiß, das Dach des Schulhauses und der große Hof liegen volkommen weiß und still da und die riesigen, weißen Fensterrahmen verbünden sich mit dem Schnee. Die Zweige des großen Baums sind zartweiß gepudert, sie schwingen leise im Wind, der sich zur Zeit meistens woanders rumtreibt, nur nicht hier am Bodden in Greifswald. Vielleicht spielt er an der Ostsee, aber dahin zu kommen um nachzuschauen, ist schwierig zur Zeit, wegen Eis und Schnee. Das Thermometer auf dem Fensterbrett - dies speziell für Anna, du hältst wohl Winterschlaf, in Gesellschaft von Zugvogel und Bobolina möglicherweise? die wirst du doch nicht auch dazu überredet haben? - zeigt ca. 3 Grad jetzt.

17.12.05

Trostmathematik

In diesen dunklen Greifswalder Winternächten tröstet nur das Licht der Laternen und das der Fenster. Die Fenster der Nachbarn von gegenüber aber sind ebenso dunkel wie die Nacht. Dafür leuchten die Laternen wie orangegelbe Perlenketten in der Dunkelheit. Ein halber Trost also, der sich gegen später abermals halbieren wird. Dann wird von den Laternenpaaren, die gemeinsam in einem Laternenpfahl leuchten, jeweils ein Licht erlöschen. Vielleicht sind sie dann halb so traurig wie ich. Aber können Laternen traurig sein? ;)

Silberrosa

Silberrosa glänzt
der glatte Fluss – Enten
ziehen ihre Spuren


zumindest in Wiek, wenn die Sonne untergegangen ist. Und wenn die Enten aus dem Fluss steigen und das vereiste Ufer hinaufwatscheln, bekommen sie kalte Füße. Der Himmel ist verdunkelt von Hunderten von Raben (oder sind's Krähen), deren krächzende Schreie dem Tag alles Helle stehlen, und weit weit weg schwebt eine einzige, kleine, rosafarbene Wolke wie ein ferner Feuervogel, der aus dem schönen Süden kommt vielleicht, aber er wird nicht herunterfliegen zu uns, um die Nacht zu erhellen, um uns zu wärmen mit seiner Glut.

Labels: ,

16.12.05

Schnee

Wie schnell der Schnee fällt
schon tragen die Dächer und
wir weiße Hauben

15.12.05

Schlaf

Dornröschenstadtschlaf
Wären's nur Rosen auf die
wir gebettet sind

Trüb

Wolken & Trübsinn
der Wind spielt mit den Zweigen
aber nicht mit mir

11.12.05

Ostseepipeline geschrödert

Wenn die Ostsee-Gaspipeline einst den diskreten Charme von Lubmin ruinieren wird, dann wissen wir ja, wem wir es zu verdanken haben ;)
es hat sich noch lange nicht ausgeschrödert!

Eisstock und Orangenspiralen

Wien, immer noch. Im Hof des Museumsquartiers wird Eisstock gespielt, im Zelt Heiß-Alkoholisches getrunken, die Kunst wartet in den bombastischen Gebäuden. Ein archaischer Monolith mit Schießscharten-Fenstern das Museum für moderne Kunst. In den Shops wird die Kunstrepoduktion verkauft. Wieder Knistern und Klimpern. Die „Cuisine digitale“ macht Ernst. Sie existiert nur virtuell anscheinend. Von der Photo-Ausstellung, von jungen Photo-Kunst-SchülerInnen aus Ljubljana glaube ich, beeindrucken zwei Exponate und leider habe ich die Namen schon vergessen. Das eine – „Bettfunktion - eine Studie von Polarität und Rhythmus anhand eines Funktions-Betts, neun oder zwölf Aufnahmen - die Erinnerung ist kein Photoapparat daher ungenau – neun oder zwölf also, neben- und untereinandeer angeordnet zu einem spannenden Ensemble, diese Bett-Kommode jedenfalls, eingeklappt, ausgezogen, Türen geöffnet und geschlossen, blau und rot ausgelegt, mit und ohne Büchern, in jedem Bild eine Polarität, vertikal oder horizontal, aber auch eine Begegnung.
Das andere ein Werk zum Thema Essen. Eine Aufgabe, die der Professor stellte und die Schülerin mit Humor und Hintersinn erfüllte. Ein Tisch, darauf ein Stapel Teller, sehr hoch, dahinter vermutlich ein Mann, zu sehen nur seine nackten Schultern, Arme und Hände, die rechts und links vom Tellerstapel auf dem Tisch liegen. Daneben ein Photo mit demsleben Herrn mit etwas anderer Armstellung und einem Hemden-/Krawattenstapel, daneben ähnlich arrangiert ein Bücherstapel, und zuletzt ein kunstvoll, labyrinthisch arrangierter Zigarettenschachtel-Stapel, rechts daneben (im Bild, links von außen und Gegenüber betrachtet) ein einziger nackter Arm und eine merkwürdig gebogene Hand auf der Tischplatte, als käme sie direkt aus dem Zigarettenschachtelturm, große Heiterkeit erfasst mich, Lachen, endlich einmal an diesem turbulenten Tag.
Ach ja, zwei Werke noch. Einmal Nahaufnahme Früchte und Haut, wobei die Orangenspirale aus einem Bauchnabel kommend noch am frischesten wirkt. und das andere, Mini-Foto-Romanzas, eine Dame, die fast in einem Briefkastenschlitz verschwindet, weil ER, wie der zugehörige rote Text verrät, ihr seit vielen Wochen nicht mehr geschrieben hat!Wobei wahrscheinlich das ganze Photo der Text ist, korrekt gesagt, zusammengesetzt aus Sprache und Bild. Wie das Photo daneben, dieselbe Dame im flammend roten Kleid auf einer in Graustufen verwandelten Straße, der Text pardon der sprachliche Anteil ist mir entfallen, es war irgendetwas mit lovely, eine Prinzessin auf der Straße irgendwie, gelandet von irgendwoher. Hätte ich mir nur die Namen der PhotographInnen gemerkt.

hütten und paläste 2

Hütten vor dem Rathauspalast, wuselig-wirbeliger Weihnachtsmarkt, man mag ihn nicht betreten. Weder vorwärts noch rückwärtsgehen ist einfach, nichts wie weg, aber das dauert. Im Rathaus basteln die Kinder Kerzen, bekleben sie mit Wachs-Herzchen und -Sternchen und -Tannenbäumchen, sie malen und schnipseln, sie sitzen mit hohen weißen Kopfmützen auf dem Koch pardon mit Kochmützen auf dem Kopf an bemehlten Tischen und schneiden Teigsterne und Teigherzen aus, während die Mütter draußen vor den Bastelarealen wie die Hühner auf nein nicht Stangen sondern aufgereiht auf Stühlen sitzen, diese Perlen des Alltags, die nichts kümmert außer dem Wohl ihrer Kinder. Vielleicht ist’s auch nur die Erschöpfung, die sie tatenlos ohne Buch oder sonstige Beschäftigung dort sitzen lässt, ihre bastelnden und backenden Kinder bewachend. Vor der Damen-Toilette, wieder einmal: Schlangen.

hütten und paläste 1

Hütten vor dem Schlosspalast Schönbrunn. Vor Kälte schlotternd Kaiserschmarrn verschlingen, besser mit Punsch. Schnitzereien aus dem Erzgebirge, Kostbares aus Glas, Marroni 3 Stück für einen Euro. Da gehn wir lieber in den kalten Wald. Vorsichtig auf Eis.

sagte ich: gemächlich?

Sagte ich: gemächliches Tempo? Das war im 13. (Quartier). Das war am Donnerstag. Am Wochenende, im Zentrum, bricht hier der Wahnsinn aus. In den U-Bahn-Stationen geht es bald zu wie in Osaka, in der Kärtner-Straße wuselt es wie in einem Ameisenhaufen, nur weniger diszipliniert, in den Mozartkugelverkaufsstellen stehen lange Schlangen weder aus Marzipan noch Schokolade sondern aus Menschen gemacht, die Mozartkugelpackungen in der einen und die offene Geldbörse in der anderen Hand halten, und schlängeln sich in Richtung Kassen, in denen es klingelt und knistert, vor dem Hotel Sacher sind die Schlangen nicht kürzer und glücklich kann sich schätzen, wer endlich einen Platz im Kaffee ergattert, ordentlich eingewiesen von der Empfangsdame, wer endlich die verdiente Melange und die köstliche Sachertorte genießen kann, umgeben von rotem Damast und Samt, zumindest ist das Gefühl damasten und samten, wer weiß mit welchem Stoff die Stühle und Sofabänke wirklich bezogen sind.
Kultur? Theater? wie man hört, seit Wochen ausgebucht und im übrigen vor Erschöpfung nicht dran zu denken. Ein letzter Blick auf die Weihnachtsbeleuchtung. Sterne ein allen Größen, leuchtende Perlenschnüre, gewaltige Lüster, wenigstens müssen wir nicht im Dunkeln Weihnachten entgegen gehen.

8.12.05

fern der ostsee

ferne der ostsee ... ferne von der langsamkeit ... obwohl auch in wien ein angenehmes tempo herrscht. die taxifahrer sind sehr unterhaltsam, die leute hilfsbereit, es wird viel gelächelt, alles sehr persönlich wenn man nicht grad im stadtzentrum ist - und so viele jogger und zahme eichhörnchen wie im garten von schönbrunn habe ich noch nie auf einem haufen gesehen!
mit kurzen hosen auf eisglattem boden zu joggen - das ist schon was. jeenfalls was, zu dem ich mich nie hinreißen lassen würde! da lob ich mir da stille gehen im wüstenhaus.
schöne grüße an die ostsee

Energie der Sterne

Die Vision von der Fusion
zwischen Proton und Proton

Statt Kreidefels der Wendelstein
ist die Zukunft nach Einstein

hol dir die Sterne auf die Erde
auf dass aus ihnen Energie werde

stell du nur ein Plasma her
dann steigt auch das Meer nicht mehr

Lyrische Impressionen zum Tag der offenen Tür
des Instituts für Plasmaphysik (MPI, Greifswald)

5.12.05

kommentare

kling klang ... zum ersten: ich bin neidisch auf das atomfrühstück lieber zugvogel. aber wie tröstlich, dass ich an diesem tag aufgrund seminarischer verpflichtungen ohnehin nicht gekonnt hätte.

kling, klang ... zum zweiten: vergangenen donnerstag war doch wundervollstes sonnenwetter liebe wilde orchidee. ich bin gleich mal 2 stunden spazieren gewesen. aber sicher warst du ausgerechnet an diesem jubeltag für die seele nicht in hgw.

kling, klang ... zum dritten: auch ich habe meine sangeserfahrungen hier in hgw gemacht. aber wirklich stilvoll im theater und mit dem sinfonieorchester, 4 grandiosen solisten und dem opernchor des theaters. "traumweihnacht" wollten sie schenken, und eine traumhafte einstimmung ist ihnen gelungen. ich zehre davon und bedaure es sehr, dass ich nicht auch das oratorium im dom am 11.12. mitnehmen kann. so sei es allen anderen empfohlen und ans herz gelegt.

3.12.05

Lob der Verkäuferinnen

Heute sei noch das Lob der Verkäuferinnen gesungen. Nicht aller natürlich, aber vieler hier in Greifswald. Hier gibt’s vielleicht nicht immer das zu kaufen, was man will, aber meistens ein Lächeln. Sie schenken einem noch die letzte verfügbare große Büroklammer, „Volkseigentum“, wenn man sie grade dringend braucht.

Die Verkäuferinnen hier holen einem noch das Brot, das sie für sich selber zurückgelegt haben, aus irgendeiner Ecke, unaufgefordert, ohne dass man drum gebeten hätte, damit man es mit nachhause nehmen kann, weil es so köstlich schmeckt.

Und: die Damen sagen die Wahrheit, wenn man sie fragt, ob einem ein Rock oder eine Hose steht beispielsweise. Da spart man viel Geld. Weil meistens steht’s einem ja nicht so besonders.

Oder: Ich frage eine der Damen, wo das Öl steht beispielsweise oder der Blätterteig. In Heidelberg etwa bekäme ich – jedenfalls in den meisten Fällen - ein Schulterzucken oder ein „keine Ahnung“ oder „wees isch net“ oder im besten Fall „do hinne“ oder „da hinten im Regal“, begleitet von einer eher unspezifischen Bewegung mit dem Arm, die das Regal bezeichnen soll.
Hier: eilt die Verkäuferin voraus und ich selber hinterher und sie hält nicht inne, bis sie vor dem betreffenden Regal steht und mir das Gesuchte präsentiert. Unzählige Male ist das vorgekommen.

Bezahlt man in Heidelberg irgendwo an der Kasse, fühlt man sich wie eine unsichtbare Geldkuh so ungefähr. Die Damen an den Kassen, in der Galeria Horten beispielsweise, nehmen das Geld, ohne die KundInnen auch nur anzuschauen. Sie unterhalten sich nebenbei, strecken die Hand aus und das war’s.
Hier gibt’s oft ein Lächeln (natürlich gibt’s auch mal nichts ab und zu) und meistens auch den Wusch: Einen schönen Tag noch. Oder ein kurzes „Tschüssi“. Nett.

Die Verkäuferin rufen zurück, wenn sie es versprechen, weil sie irgendwo nachgefragt haben, ob das, was du willst und was es nicht gibt, vielleicht doch noch irgendwo zu haben ist. Sie sagen nicht: Man muss eben wissen, ob einem das seine Gesundheit wert ist, wenn etwas völlig überteuert ist, sondern sie nicken und sagen, ja, das ist schon sehr teuer, das muss man sich in Ruhe überlegen.
.. also ich würde das ehrlich gesagt nicht nehmen ... lassen Sie die Hose doch wie sie ist, das ist prima, das Kürzen kostet doch immerhin 5 Euro ... also ich würde die lieber ohne Gürtel tragen ... also das nutzt gar nichts, kaufen sie lieber die billige Zinkcreme ... das ist vielleicht nicht geschäftstüchtig, aber menschlich.

Hier hat man noch ein gesundes Verhältnis zum Geld, scheint's, und ein menschliches zu den Menschen.
Nicht, dass man hier Freunde für’s Leben fände, wenn man nur ein oder zwei Jahre bleibt. Es soll acht Jahre dauern im Durchschnitt. Soviel Zeit habe ich nicht. Aber die Alltagskommunikation in den Geschäften, bei den Ärzten oder sonstwo – natürlich nicht überall aber oft – ist einfach menschlicher als in vielen Städten im Westen. Scheint mir jedenfalls.

Ein bisschen zu sehr verallgemeinert, zugegeben. Ich bin auch schon mal angebrüllt worden. Aber von einem sturzbesoffenen Kunden. Nicht von einer Verkäuferin ;)

Und all die „man"s, die sich da oben tummeln. Schlechter Stil. Und die Kategorisierung. Eine Todsünde nach der andern hab ich begangen. Über Toleranz geschwafelt weiter oben, ohne wirklich etwas davon zu verstehen. Da kann ich nur mit Wittgenstein sprechen oder besser schweigen, du weißt schon, liebe/r LeserIn, du gestattest, dass ich dich duze-: wovon man nicht sprechen kann undsoweiter.

Ich hätte das Ganze besser in Szenen geschrieben. Jedes Erlebnis eine Szene. Wär vielleicht angenehmer zu lesen. Aber dazu ist jetzt keine Zeit. Ist auch viel zu lang das alles. Ich sollte zu meinen Cykus zurückkehren

Tröstlich schimmern die
Laternen – ich werd erst gehn
wenn grau der Tag kommt

Jetzt aber werde ich mich in die Hypertextgefilde begeben, dort gibt es keine Gewissheiten, keine Längenbeschränkung und keine Eindeutigkeit. Dort lebt es sich schön.

Unschöner Gesang

Schon wieder Gesang, diesmal auf der Straße und das klingt nicht gut. Ich höre: voran, ich höre: Deutschland, ich höre: Jugend. Ich öffne das Fenster und sehe die blauen Mützen auf den Köpfen der Burschenbande. Grad eben sind mir schon Burschen begegegnet mit roten Mützen. Die schrägen Bänder nicht zu vergessen. Das Auftreten in Gruppen. Der Vaterlandsstolz. Die forschen Lieder. Und sie schämen sich noch nicht mal dafür. Ich schließe das Fenster, und denke: Ob Greifswald, ob Heidelberg: manchmal fällt sie mir selber schwer, die Toleranz. Aber andererseits: gegen rechte Parolen braucht es keine Toleranz. Ein schwierige Sache ist das mit der Toleranz. Keine Toleranz ohne Grenzen, offensichtlich. Wo bei den andern die Toleranz aufhört, hört die Toleranz auch bei mir auf?
Jeder wird die Grenze woanders ziehen. Ich meine jedenfalls: was gegen die Demokratie und die Menschenwürde geht, verdient keine Toleranz. Und ich frage mich: ist das jetzt untolerant?
Ach, diese schweren Gedanken, daran ist dieses ewige Grau schuld, der Regen, die Burschen, die Tatsache, dass wir hier seit Tagen keine Sonne gesehen haben. Wo ich doch grade in einer Broschüre gelesen habe: Pommerland ist Sommerland. Ha! Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Ich bin der Edgar

Samstagabend, kurz vor 20.00 Uhr, Plus, Anklamer Straße. Der Sänger ist wieder da. Allmählich vermute ich, er ist immer da. Wieder ist er heiter, spricht mit seiner schönen Schlagersängerstimme, Jimi Hendrix war gar nicht so schlecht, nach kurzer Zeit: Ich lach mich kaputt. Lacht. Aber sich nicht kaputt. Das ist die Farbe der Liebe, da weiß ein Mann gleich Bescheid, als er an der Kasse ist mit einem seiner Freunde und seinen Freunden den Flaschen; die Weinflasche will er gar nicht loslassen, die Dame an der Kasse muss sie ihm entreißen gewissermaßen, um den Preis einscannen zu können. Während die Kollegin hinter einem Regal hervorruft: Singen Sie draußen, nicht hier in der Halle! Worauf er kurzzeitig verstummt, dann kündigt er an: Ich werd jetzt mal was sagen. Ich bin der Edgar. Sonst nichts. Dazwischen fragt ein kleines Kind seinen jungen Vater: Wer ist denn das? – Ein Idiot, sagt der Papa. Und drei Sekunden später der Sänger: Wer hat das gesagt?
Wenigstens ist es dem Vater peinlich.
Zwei junge Mädchen hinter mir teilen mir mit, dass der trinkfeste Sänger sie jedesmal anquatscht, wenn sie hierher kommen. Tja, das ist nicht schön, da ist es doch besser, er singt der Allgemeinheit was vor.
Ich komm aus Kanada, sagt er, der Sänger, also Edgar angeblich. Und wenig später: Deutschland ist beschissen. Und dann noch, zur Kassiererin: Sei froh, dass du hier arbeiten darfst.
Ja, soweit sind wir gekommen.

2.12.05

Atomfruehstueck

Nach einem Jahr hab ich es heut endlich geschafft, zum legendaeren � Atomfruehstueck � zu gehen. Und das geht folgendermassen : Eine Tuete Broetchen, der Atomkern, wartet in der Physik auf seine durch ihn angezogenen Elektronen, die zufaellig vorbeischwebenden Gaeste. Voraussetzung : Man darf sich nicht fest anmelden, alles muss zuf�llig sein, so wie sich auch im Atom die Teilchen zufaellig begegnen.

Initiiert hat das Ganze ein tschechischer Doktorand der Physik und regt dadurch zum lockeren, interdisziplinaeren Plausch an.

Ein wirklich gelungenes Modell zur Veranschaulichung physikalischer Grundlagen und eine gute Gelegenheit zur Knuepfung eines Wissenschaftsnetzwerkes !

1.12.05

Finnisch-amerikanischer Jazz

A propos klingen und soweiter. Ich stelle soeben mit Entsetzen fest: ich habe den Klang des finnisch-amerikanischen Jazz-Konzerts im Koeppen verpasst! Mit Cellist Fred Lonberg-Holm und Gitarrist Kalle Kalima.
Das ist zum Heulen! Falls jemand anderer da war, bitte berichten!

immer mit der ruhe

Mensch, so schön singt und klingt es hier zur Weihnachtszeit. Und garantiert immer pommersch mit der Ruhe, um von einer weiteren weithin verbreiteten Eigenschaft zu sprechen, hier kann man richtig was für's Leben lernen.
Nach Greifswald kommt einem alles andere geradezu hektisch - möglicherweise auch klanglos? - vor.
Morning Rain jedenfalls sei klingend gratuliert.
Wann wo können wir sie hören?