19.10.12

Kampf der Künste: Slam in Greifswald


Ohne Zweifel, der Slam in der Stadthalle Greifswald war unterhaltsam. Ohne Zweifel, der Sieger, Volker Strübing, besticht durch seinen Witz und seine meisterhafte Verwendung der Sprache. Und das Ganze in atemberaubendem Tempo. Alle vier angetretenen Slammer: Volker Strübing, Micha Ebeling, Fabian Navarro und David Friedrich waren spannend, witzig, wortreich. Und man hätte gerne auch im zweiten Teil alle Vier noch einmal gesehen und gehört. Dies brachte treffend ein Zuschauer zum Ausdruck, der sich nach der Pause einfach das Mikrofon griff – er fand es nicht in Ordnung, dass nur Zwei es bis zur Endrunde brachten. Guter Punkt, das.

Merkwürdig schien aber der Moderator Michel Abdollahi, der, wenn man der Ankündigung glaubt, als legendär zu gelten hat. Aber wir fragen uns: Ist Arroganz wirklich so witzig? Der schöne Anzug ist da zweitrangig. Das „wunderbare“ Publikum aber fand es anscheinend sehr amüsant. Wie gut, dass er nach Greifswald gekommen ist mit seinen Mannen, in die Hansestadt, an deren Namen er sich witzigerweise nicht erinnern konnte, wo die armen Studierenden „im Exil leben“, denen er witzigerweise Kultur glaubte bringen zu müssen, damit „sie das auch überleben könnten“. Ohne die Hamburger haben wir hier natürlich keine Kultur, klar. Eine kulturelle Wüste ist das, versteht sich von selbst. Und dass die Uni eine Karl-Marx-Uni ist, also auf diesen Witz muss man erst mal kommen. Nun ja. Über Humor kann man trefflich streiten. Abgesehen davon, dass der Moderator parteiisch schien.
Ein paar als Juroren auserkorene Menschen aus dem Publikum brachten also Strübing und Ebeling in die zweite Runde, die beiden erfahrenen  Lesebühnenleser. Nicht unverdient durchaus,Meister sind sie in ihrem Genre, aber man hätte sich auch einen der jüngeren Slammer in der Endrunde vorstellen können.

Volker Strübing (ehemals Berliner Lesenühne Chaussee der Enthusiasten, zusammen mit Ebeling LSD: Liebe statt Drogen) also, der mit den Wörtern  in irrwitzigem Tempo jongliert, wie gesagt, sprachlich phantastisch, alle Texte in Geschichten eingebettet, wirklich witzig. Vor allem der Kaffemaschinentext, eine ziemlich lustige, kreative Maschinenkritik. Schön sind auch seine plötzlichen Perspektivwechsel, voller Überraschungen. Von Micha Ebeling (Berliner Lesebühne LSD: Liebe Statt Drogen), ebenfalls witzig - gefiel uns der Sektentext am Besten; Ebeling zitierte die etwa elf Merkmale einer Sekte, wendete diese auf die Slamily an und erheiterte mit den an die elf Sektenerkennungsmerkmale anschließenden Slamzeilen, die fast schon eine Persiflage auf die typische Slamsprechweise war. Er kann das.

David Friedrich zeigte eine schöne Performance, beeindruckend, wie die jungen Slammer alles aus dem Kopf in flüssige Rede bringen. Auch er witzig. Alle waren so witzig. Und vielleicht ist genau das ein Problem bei solchen Slams, der Zwang zum Witz. Es gibt ganz andere Slammer, den Schweizer Laurin Buser zum Beispiel, der slammt anders. Auf Baseldütsch. Todernscht. Grandios. „Es Bild vom Kriag“, „es Bild vom Tod“. Irrsinnig, wie die Schweizer sagen würden. Man kriegt Gänsehaut. Die Schweizer sind auch im Vorteil mit ihren Dialekten, die klingen. Knackig.

Aber zurück zum Kampf der Künste. Was uns merkwürdigerweise hängen blieb, sind nicht die brillanten Texte von Strübing. Es ist einer von Fabian Navarro …. . das Gedicht, ja und jetzt sagen wir tatsächlich das Gedicht, über die Hoffnung: goldgelb nuancenlos. Das war frisch, hatte eine gewisse Tiefe und war dennoch von großem Witz – aber nicht ununterbrochen, und das war angenehm. Gute Performance, auch, man würde jetzt nur gern diesen Text nochmal hören. Genau diesen.

Ein unterhaltsamer Abend, aber wir fragen uns, wir fragen uns jetzt dennoch, wieso der poetry slam eigentlich POETRY slam heißt. Da müsste man sich einmal gründlich drüber unterhalten.